Fragen und Antworten

Unten können Sie sechs Kernfragen lesen, die wir in TJCII-Deutschland uns gestellt haben und ausgewählte Antworten auf diese Fragen von unseren Leitern. Lesen Sie die Fragen durch, denken Sie darüber nach und schreiben Sie an tjciid@gmail, was Sie zu folgenden Fragen bzw. den bereits vorhandenen Äußerungen denken, erleben und empfinden. Die Redaktion behält sich Bearbeitung, Kommentierung bzw. Veröffentlichung mit Ihrem Vornamen und Wohnort im Rahmen des Presserechts vor.

1. Die Kirche erwartet das Kommen des messianischen Königreiches in Herrlichkeit. Andrerseits hat sie auch eine Sünden-Geschichte in ihrer Beziehungen zu Juden und Judentum. Wie erleben Sie diese Spannung ?

Ivan Fröhlich

Gottes Geist führt unsere Spannungen zur Versöhnung. Diese findet Ausdruck in  Liebe und Annahme. Das Leben in der Jüngerschaft Jesu heilt uns persönlich, unsere Gemeinden und unsere Kirchen. Das gilt auch für die Versöhnung mit Israel.

Ludwig Benecke

Versöhnung ist ein grundsätzliches Thema in meinem Leben, persönlich, mit meiner Familie, mit Menschen, die Jesus mir in den Weg stellt, mit unserer Kirche sowie mit Andersgläubigen. So bete und hoffe ich, dass durch die Kraft des Heiligen Geistes die noch bestehenden Spannungen zwischen messianischen Juden und Christen immer mehr überwunden werden und wir in Einheit vor dem Thron Gottes anbeten.

Rita Scholz

Ohne Vergebung der Sünden könnten wir heute nicht leben als „Gemeinschaft der Heiligen“. Aufgrund der Vergebung jedoch sehne ich mich nach dem Tag, an dem die Gottlosigkeit kein Thema mehr ist: „Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! … Siehe, ich mache alles neu!“ (Offb. 21,3+5)

Philippa Salm

Als evangelische Christin, verheiratet mit meinem katholischen Mann, sehe ich das Ziel von Einheit von Christen und Juden im Glauben als eine ganz große Hoffnung. Trotz aller Verschiedenartigkeit der Konfessionen und Denominationen, zeigt uns der gemeinsame Glaube an Jesus einen hoffnungsvollen Weg. Jesus führt durch den Heiligen Geist uns zum 2. Jerusalemer Konzil. Damit wird seine Verheißung wahr: “seid alle eins, damit die Welt erkennt das ich der Herr bin“ (Johannes 17.20).

Fabian J. Witmer

Ich denke, wir leben alle in der Spannung zwischen „sollen“ und „können“. Wir sollen, ja möchten sogar so leben, dass es Gott gefällt. Merken aber immer wieder, dass es uns nicht gelingt. Wir sind begnadigte Sünder und sehnen uns nach jener Vollkommenheit, die sich erst mit dem endgültigen Kommen seines Reiches etablieren wird. Ich finde diese Spannung wichtig, denn mir gibt sie Antrieb und Sehnsucht auf das, was da noch kommt.

2. Die Trennung zwischen den Juden und den Nichtjuden in der Kirche geschah ganz am Anfang. Kann sie heute überwunden werden, indem Christen und Kirchen Juden, die an Jesus glauben, akzeptieren?

Renate Köhler-Kraus         

Wenn Messianische Juden merken, dass wir es ernst meinen mit der Gemeinschaft, dann lassen sie sich darauf ein. Das kann ein längerer Weg sein.               

Fabian J. Witmer

Für mich ist ein Schlüssel, dass der Glaube an Jesus von Anfang an ein jüdischer Glaube gewesen ist. Das muss man sich einfach nochmal vor Augen führen: Alle wichtigen Akteure im Neuen Testament (Jesus, Paulus, Petrus, usw.) sind Juden. Müssen Christen und Kirchen daher Jesus-gläubige Juden akzeptieren? Selbstverständlich. Eigentlich ist das nicht mal eine Frage, sondern eine nüchterne (biblische) Feststellung. Für mich steht daher noch deutlicher der Aspekt der Versöhnung zwischen allen Jesus-gläubigen Menschen im Fokus. Diese Versöhnung ist ohne Messianische Juden nicht zu denken, aber erstreckt sich ebenfalls auf alle weiteren Kirchen und Denominationen, die sich voneinander „getrennt“ haben.

Theo Kraus

Ich erlebe, dass die Angst vor Antisemtitsmus  unsere Gemeinschaft mit Messianischen juden nicht blockiert.

Ivan Fröhlich

Überwinden braucht Kraft, Ideen, Phantasie: wie erreichen wir einander? Wie erkennen wir einander als Geschwister im Glauben trotz den Unterschieden?

Philippa Salm

Die Trennung kann ganz praktisch überwunden werden durch die Freundschaft mit messianischen Juden und deren Gemeinden. Das ist mir sehr wichtig geworden. Christliche Konferenzen sollten nicht ohne messianische Freunde stattfinden, damit die Ökumene lebendig werden kann: evangelisch – katholisch -messianisch jüdisch.

3. Durch die Anerkennung eines jüdischen Ausdrucks des Glaubens an Jesus bestätigen wir die fortwährende Berufung ganz  Israels, die jahrhundertelang durch die  sog. Ersatztheologie negiert wurde. Welche jüdische Ausprägungen des Glaubens an Jesus kennen Sie?

John David Martin

In der geistlichen Landschaft des Westens heute findet man eine Breite an Ausdrucksformen des Messianischen Judentums. Es sind also die Streitfragen, die wir aus der Apostelgesichte und aus den Briefen des Heiligen Paulus für moderne Juden, die an Jesus Glauben, wieder brisant geworden. Jede „Schule“, wenn man will, gründet ihre Lebensform des messianisch-jüdischen Glaubens in der Schrift und strebt danach, dem jüdischen Messias auf einer authentisch jüdischen Art und Weise treu zu sein und den Glauben mit erkennbar-jüdischen Traditionen zu vereinbaren.

Theo Kraus

Die jüdischen Ausprägungen des Glaubens an Jesus, wie wir sie bei Messianisch en Juden erleben, sind zugleich bereichernd und fremd: alttestamentliche Regeln wie z.B. die Reinheitsgebote (Kaschruth) kennen wir nicht; oder die Feier von Pessach statt Ostern mit der Freude statt einem dunkeln Karfreitag. Diese Spannung gilt es auszuhalten und die Unterschiede ernst zu nehmen. Was können wir lernen aus ihrer Art Jesus zu feiern?

Ludwig Benecke

Messianische Gemeinde spiegeln verschiedene Varianten christlicher Konfessionen wider: sie haben Züge von Evangelikalen, von Charismatikern, Katholiken etc., indem sie sich auf die jüdischen Traditionen beziehen.

Philippa Salm

Jüdische Ausprägung des Glaubens an Jesus lerne ich kennen durch Aufmerksamkeit auf die jüdischen, indem ich biblische Feste mit ihnen feiere, immer wieder nach unserer gemeinsamen Wurzel im Glauben frage.                                

4. Das Kommen des Reiches Gottes, um das wir beten, wird eine Begegnung mit Abraham, Isaak und Jakob bringen (Mt 8,11). Wo nehmen Sie Antisemitismus und Antijudaismus in sich selbst, in anderen Christen, in unseren Kirchen und in der Gesellschaft wahr?

Renate Köhler-Kraus

Das geschieht nur, wenn Gott unser Herz verwandelt: dass wir alle Juden, nicht nur die Messianischen, als Angehörige des von Gott erwählten Volkes erkennen und sie lieben, wie Gott sie liebt.

John David Martin

Wir Christen aus den Nationen empfangen unser Seelenheil und erwarten die Heilung und Wiederherstellung der Schöpfung aufgrund vom Tod und Auferstehung des fleischgewordenen Sohn Gottes, der als Jude gelebt, gelehrt und gelitten hat, als Jude gestorben und auferstanden ist. Der wiederkommende Jesus wird die Welt von Jerusalem aus regieren, nicht von Berlin, London, Washington oder Tokio aus. Seine jüdische Identität ist ihm nicht abzusprechen und gilt ewig. Dies sollen wir lehren als die Grundlage unserer Identität als eingepfropften Zweige des „natürlichen Ölbaums“ (Römer 11,24).  Wir müssen auch jeder Lehre widersagen und jede Lehre entschlossen widerlegen, die behauptet, Jesus sei etwa nach der Auferstehung „der universelle Mensch“ ohne spezifische Identität und Herkunft geworden. Die jüdische Identität Jesu und die jüdische Natur des christlichen Glaubens müssen wir bejahen und diese Bejahung müssen wir lehren und leben.

Ivan Fröhlich

Als Jude kann ich das nicht für Nichtjuden sagen. Aber klar ist: das muss innen geschehen. Mit kämpfen vergeht das nicht.

Fabian J. Witmer

Jeder Antisemitismus und Antijudaismus richtet sich aufgrund seiner Identität immer auch direkt gegen Jesus. Wenn wir dies als Gläubige verstehen, ist der erste bedeutsame Schritt getan. Das zweite Heilmittel ist das Gebet, mit dem wir Gott um eine Veränderung unseres Herzens und Denkens bitten können. Und ein unverzichtbarer, praktischer Schlüssel sind persönliche Begegnungen mit Juden (traditionell, wie messianisch).

Ludwig Benecke

Gottes Geist bringt Wahrheit, überführt Menschen, dass sie Antisemitismus in Worten und Taten erkennen und von sich weisen. Das beginnt in den Gemeinden mit der Erkenntnis Jesu, der als Jude Teil Israels war und bleibt. Diese Erkenntnis wirkt hinein in unser soziales Umfeld.

5. Nachfolge Jesu des Messias bedeutet, dass Juden und Nichtjuden gemeinsam seine Versöhnungskraft bezeugen- wie „ein Mensch“ (Eph 2). Von dieser Gemeinschaft geht Hoffnung aus: Christus versöhnt gerade „die ganz anderen“. Wie können wir diese Gemeinschaft als unser Glaubenszeugnis heute leben?

Theo Kraus

Durch die gleiche Sicht auf Jesus entsteht Gemeinschaft zwischen einem Nichtjuden und einem Juden. Wir feiern deshalb z.B. gemeinsam Abendmahl am kirchlichen Gründonnerstag, sind miteinander im Lobpreis vor Gott und orientieruen uns an der Ordnung der Sederfeier.

Ivan Fröhlich

Ich gehe als Jude mit der Kippa in eine Kirche, gestalte Gottesdienste mit und werde akzeptiert, weil ich an Jesus glauben. Dasselbe geschieht, wenn Christen bei uns in den Gottesdienst kommen.

Ludwig Benecke

Gemeinsam leben bedeutet einander kennenlernen. So bauen wir Angst und Vorurteile ab, werden von Enttäuschungen und Verletzungen geheilt. So können wir gemeinsam die Feste des Glaubens feiern und Gott unsern König und den Messias feiern!

6. Die meisten christlichen Kirchen bezeugen die „Auserwählung“ Israels im Unterschied zu allen anderen Nationen: „Das Heil kommt von den Juden“ (Joh 4, 22).  Der Bedarf an „Heil“ für Individuen, aber erst recht für Nationen, ist offensichtlich. Was können Christen und Messianische Juden für die Versöhnung in und zwischen unseren Nationen tun?

Renate Köhler-Kraus

Wenn wir im kleinen Rahmen persönlicher Beziehungen Versöhnung praktizieren, kann das ausstrahlen in unser gesellschaftliches Umfeld.

Ivan Fröhlich

Wenn Christen und Messianische Juden Freundschaften aufbauen, bleibt ihre gegenseitige Liebe  nicht verborgen!

Fabian J. Witmer

Die „einfache Antwort“ dürfen wir von Jesus hören: „Bittet, so wird euch gegeben.“ Und doch sind wir auch an der Erfüllung dieses Gebets (z.B. Joh. 17) beteiligt. Und als solches haben wir einen Auftrag und eine Verantwortung zum Handeln: Ist denn tatsächlich immer „der Andere“ Schuld? Oder finden wir nicht auch bei uns Schuld? Auf dieser Ebene wird sich bestimmt eine gemeinsame Grundlage finden. Aber „Versöhnung“ kann immer nur auf der persönlichen Ebene, in der Begegnung geschehen. Daraus folgt unmittelbar ein Bildungsauftrag, zu informieren und Vorurteile abzubauen, um persönliche Begegnungen vorzubereiten und ermöglichen.

Ludwig Benecke

Wenn Versöhnung geschieht, wird das nicht verborgen bleiben! Jesus selber tut das durch seinen Geist.